Die Autoren
Prof. Dr. Constantin May
Akademischer Direktor, CETPM
Hochschule Ansbach
constantin.may@cetpm.com
Prof. Dr. Andreas Syska
Lehr- und Forschungsgebiet
Produktionsmanagement,
Hochschule Niederrhein
andreas.syska@hs-niederrhein.de
liche Fortschritte – in den, sagen wir mal,
zurückliegenden 70 Jahren – gemacht,
was unsere Umwelt angeht. Flüsse sind
wieder klar, die Luft ist sauber. Mehr Sorgen
macht mir, dass in den Schwellenländern
das Bewusstsein für Umweltthemen noch
nicht sehr ausgeprägt ist. Bei Reisen in Süd-
Ost-Asien sah ich beispielsweise, dass die
Menschen einfach ihren Müll in den nächst-
gelegenen Fluss reinkippen und dann landet
er irgendwann im Meer. Das sind eher die
Punkte, wo man angreifen müsste. Dennoch
möchte ich Deutschland nicht als sen-
dungsbewusstes Land sehen, das meint,
es müsse anderen Ländern vormachen, wie
man vorbildlich lebt. Da müssen die Men-
schen schon selber draufkommen.
Prof. Syska: Sie wollen also keine sau-
beren Technologien entwickeln und diesen
Ländern verkaufen?
Prof. May: Doch, oh doch, aber nicht mit
erhobenem Zeigefinger.
Prof. Syska: Das ist richtig. Der erhobene
Zeigefinger verkauft bekannterweise immer
ganz schlecht.
Prof. May: Wir haben z. B. tolle Produkte,
mit denen man aus Abfall Energie gewinnen
kann. Technologien bei uns herstellen, die in
anderen Ländern Probleme lösen und damit
Geld verdienen – das begeistert mich. Aber
zu sagen, wir müssen unbedingt vorbildlich
leben und wir müssen jetzt Wattestäbchen
ohne Plastik haben und wir dürfen keine
Plastiktüten mehr verwenden… Das wird
die Welt nicht weiterbringen, wenn man
sieht, was für Plastikmassen in anderen
Ländern in die Meere gekippt werden…
Prof. Syska: …von denen die Industriena-
tionen einen Großteil dorthin exportieren.
Prof. May: Wir brauchen kein Sendungs-
bewusstsein, wir sollten uns zuerst um
unsere eigenen Probleme kümmern.
Prof. Syska: Sendungsbewusstsein – das
Wort bekommt beim Müllexport einen ganz
anderen Klang. Ich habe einen Vorschlag:
Entsorgen wir unseren Plastikmüll doch
selbst, statt ihn nach Asien zu schicken.
Der Export von Müll sollte so hoch besteuert
werden, dass es wirtschaftlich lukrativer
ist, ihn hier zu entsorgen. Gleichzeitig
bekämen Entsorgungstechnologien ihre
Anwendung und könnten zur Reife gebracht
werden. Dies stoppt nicht nur den Müll-
export sondern auch den Fluss der Kro-
kodilstränen sowie das Finger Pointing in
Richtung Asien. Und wenn wir schon mal
dabei sind, schicken wir den Elektronik-
schrott auch nicht mehr nach Westafrika,
sondern entsorgen ihn hier.
Prof. May: Wir sehen mal wieder, dass
viele Probleme nicht lokal lösbar sind,
sondern nur global. Am Ende gilt: wenn wir
es schaffen, bei uns mit Erfindungsreichtum
und mit gut ausgebildeten Menschen tolle
Technologien zu entwickeln, die die Welt
besser machen und die helfen, Probleme zu
lösen, dann haben wir auch genug indust-
rielle Wertschöpfung bei uns. Das ist der
Weg – der deutsche Weg. Wir sollten mit
dem, was wir gut können – mit dem Kopf
arbeiten, Erfindungsreichtum, guter Inge-
nieurarbeit, guten Fabriken – dann sowas
herstellen. Das wäre für mich eine schöne
Perspektive, mit der ich wieder eine Zukunft
für den Industriestandort Deutschland sehe.
Prof. Syska: Hier schließt sich der Kreis,
dass wir Erfindergeist brauchen und ihn
fördern sollten. Es gibt deutliche Indika-
toren, die das zeigen. Ich habe vor zwei
Jahren eine Mitteilung gelesen, welche
Studiengänge sich hierzulande gut entwi-
ckeln. Die MINT-Studiengänge treten auf
der Stelle und haben einen Zuwachs von
1 Prozent, aber enormen Zuwachs ver-
zeichnen Verwaltungsstudiengänge, Wirt-
schaftsprüfung und Steuern. Warum? Weil
es zukunftsträchtig ist, weil es da ja eine
Menge Jobs gibt.
Prof. May: Genau diese Jobs tragen weder
zur Wertschöpfung noch zur Ökologie bei.
Prof. Syska: Nein, es wird aber damit ver-
wechselt und ich sehe es mit Sorge, wenn
junge Leute sich auf solche Jobs stürzen.
Und es kann sein, dass wir uns damit unsere
Grundlage entziehen. Wir verwalten uns nur
noch und machen Konzepte füreinander,
aber wer bezahlt die Party?
Prof. May: Genau das ist der Punkt.
Prof. Syska: Was halten Sie von einer
grundlegenden Reform unseres Steuer-
systems? Steuern sollen ja steuern. Ich
fordere eine Reform, die den Namen ver-
dient, statt des heute praktizierten „on-
top“. Meine Vorstellung: Nicht wer Leistung
erbringt, soll zahlen, sondern derjenige,
der diese Leistung rücksichtslos erwirt-
schaftet. Unternehmensgewinne und Löhne
wären künftig steuerfrei, der Raubbau an
Ressourcen, Flächenverbrauch, Ausstoß
von Klimagasen und Lärm wird aber so
teuer, dass die so hergestellten Produkte
am Markt nicht mehr interessant sind.
Und bevor jetzt das allgemeine Lamento
angestimmt wird, wonach die Abgabenlast
immer größer wird: ich habe Ihnen soeben
sämtliche Steuern auf Unternehmensge-
winne, Löhne und Gehälter erlassen.
Prof. May: Das ist doch mal eine tolle
Perspektive zum Abschluss! Machen Sie
einen Termin im Finanzministerium für uns
beide?
06
20
YOKOTEN
Magazin
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